Das Jahr neigt
sich dem Ende zu, draußen wird es kalt und über die Weihnachtsfeiertage
hat man viel Zeit, um mal wieder ins Kino zu gehen. Harry Potter
läuft bereits erfolgreich und mit dem Herrn der Ringe steht
der nächste Megaknaller schon in den Startlöchern. Doch
das wahre Highlight des Kinojahres hat sich unauffällig zwischen
die Platzhirsche gedrängt und läuft nun am 13.12. bundesweit
an. Vorher lief Memento bereits auf dem Fantasy Film Festival und
sorgte dort für Aufsehen.
Leonard Shelby
kommt mit einem ihm unbekannten Mann auf einem verlassenen Gelände
an. Aus der Tasche zieht er ein Polaroid-Foto des Fremden, darauf
steht geschrieben: Teddy. Er ist es, er hat Deine Frau ermordet,
töte ihn. So geschieht es.
Szenenwechsel.
Leonard Shelby kommt in eine Hotellobby, trifft dort auf den Fremden
vom Foto, von dem er freundschaftlich begrüßt wird. Gemeinsam
fahren sie in einem Auto los und treffen auf ebenjenem Gelände
aus der ersten Szene ein. Leonard zückt das Foto...
Allmählich
wird dem Zuschauer klar, was hier passiert. Die Vorfälle in
Christopher Nolans zweitem Spielfilm werden Szene für Szene
von hinten aufgerollt. Damit ist der Ausgang des sich entfaltenden
Krimis klar, doch bis zum Schluss bleiben die Fragen nach dem wie
und dem warum.
Mit diesem
genialen Kniff erreicht der Regisseur, dass die Zuschauer genauso
im Dunkeln tappen wie Leonard, denn der hat vor längerer Zeit
sein Kurzzeitgedächtnis eingebüßt. Alles, was ihm
passiert, vergisst er nur Minuten später. Seine letzte bleibende
Erinnerung ist die Vergewaltigung und Ermordung seiner Frau. Die
Monate (Jahre?) danach liegen im Dunkeln. Alle wichtigen Informationen
müssen irgendwo notiert werden. Das allerwichtigste lässt
Leonard sich sogar eintätowieren. Nur so kann er sich bleibende
Erinnerungen schaffen. Doch sagen Zettel immer die Wahrheit?
Guy Pearce
spielt den Leonard als entwurzelten, völlig haltlosen Besessenen,
der nur noch ein Ziel im Leben hat: den Mörder seiner Frau
finden, der damals entkommen konnte. Ohne Orientierung, ohne Vergangenheit
irrt er durch die Szenerie, verloren, aber unnachgiebig. Mit Joe
Pantoliano, der den Teddy so präzise zwischen Freund und Feind
spielt, dass der Zuschauer ihn im minütlichen Wechsel mal für
das eine, dann wieder für das andere hält, und Carrie-Anne
Moss, deren Natalie Leonard meist freundlich gesonnen ist, stehen
Pearce zwei Charaktere zur Seite, deren Komplexität zum Vergnügen
des Filmes ungemein beitragen.
Regisseur Nolan
wiederum gelingt es, dieser pikanten Grundkonstellation eine so
raffinierte Geschichte an die Seite zu stellen, dass mit jeder einzelnen
Szene alles bisher Geglaubte wieder in Frage gestellt wird. Das
kann für einen müden oder unaufmerksamen Zuschauer schnell
zum Nachteil werden, denn wer sich nicht durchgängig auf Feinheiten
konzentriert, kann den Anschluss verlieren. Wer den Anschluss hält,
wird dafür mit dem Intelligentesten belohnt, was Kino seit
langem zu bieten hatte. Addiert man die gelungene Optik, die raffinierte
Erzählstruktur, die hervorragenden Schauspielleistungen, so
gibt es abschließend nur eines, was man zu diesem Film sagen
kann: Anschauen! Oder besser noch, in einer Doppelnacht anschauen,
in der zuerst Memento und dann gleich noch einmal Memento gezeigt
wird. Denn glauben Sie mir, beim zweiten Ansehen werden Sie genauso
gebannt in diesem Film sitzen wie beim ersten Mal!
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