Tja, nun habe
ich den Salat. Den Film gesehen, mit dem festen Vorsatz, gleich
eine Rezension zu diesem Film abzugeben, sitze ich nun am Computer
und bin eigentlich ein bißchen ratlos. Wenn das so geplant
war, dann: Herzlichen Glückwunsch, Mr. Kubrick!
Wir lernen
zu Beginn des Filmes eine wohl durchschnittliche amerikanische Familie
der Upper Class, die Harfords, kennen. Er Arzt, sie Galeristin,
aber momentan zuallererst Mutter der achtjährigen Tochter,
die nach einem Jahr Ehe zur Welt kam, wie es sich gehört. Alles
ist perfekt, die Wohnung ist schnieke, die Tochter behütet,
der Umgang der Eltern miteinander liebevoll-routiniert. Man macht
sich bereit für einen großen Ball, die Tochter darf fernsehen,
die Babysitterin scheint einen Traumjob ergattert zu haben. Kubrick
schafft es , dieses Bild der heilen Familie innerhalb weniger Szenen
zu schildern; für die anschließende Demontage braucht
er zwei Stunden. Erste Sprünge bekommt der Spiegel der Normalität,
als sich das Ehepaar auf dem Ball trennt. Er flirtet mit zwei Schönheiten,
sie, nach dem einen oder anderen Glas Champagner zuviel, mit dem
Klischee des feurigen Ungarn. Die dabei entstehenden Unterhaltungen
sind so sehr von Banalität getränkt, daß man sich
fragt, ob Kubrick es nicht besser konnte oder nicht anders wollte.
Das Thema der Gespräche bleibt stets das gleiche: es geht um
Sex, um Anmache, notdürftig kaschiert mit Überlegungen
über die eheliche Treue. Ist es das, worum es dem Film geht?
Die menschlichen Triebe und ihre Unvereinbarkeit mit gesellschaftlichen,
vor allem kirchlichen, Vorstellungen aufzuzeigen? Die Ehe als Gefängnis?
Einen Abend
später, nach einem langen Streit, der mich spontan an Loriots
Ehepaar, das sich über alles und jedes in die Haare kriegt
und logische Argumentationen längst aufgegeben hat, erinnerte
und nach dem Genuß eines Joints (der nächste Riß
in der spießigen Fassade) gesteht sie ihm sexuelle Phantasien
einen Marineoffizier betreffend. Er nutzt einen dramatisch perfekt
eintreffenden medizinischen Notfall, um sich zutiefst verwirrt in
das Nachtleben von New York zu stürzen. Hier begegnet er allerhand
Versuchungen in Form der Tochter eines gerade verstorbenen Patienten,
einer Prostituierten, eines kleinen, frühreifen Mädchens
und schließlich einer Orgie in einem geheimnisvollen Schloß
voller maskierter Menschen, in dem er gar in Lebensgefahr gerät,
weil er sich mit Mächten anlegt, die er nicht versteht (ebensowenig
wie ich, Kafka läßt grüßen). Nach 145 min.
bricht er dann am Bett seiner schlafenden Frau zusammen, erzählt
ihr alles, man geht mit der Tochter Weihnachtseinkäufe erledigen,
dabei spricht man sich aus und endet mit der Feststellung, daß
man doch mal wieder "ficken" sollte. Film over. Wie zu
Beginn bereits gewährt der Regisseur der Familienidylle nur
wenige Minuten. Man hat den Eindruck, als sei er nicht ganz freiwillig
zu diesem Happy-End gekommen. Vielleicht wird die Welt ja demnächst
mit einem posthumen Directors-Cut beglückt...
In der Aussprache
am Schluß enthalten ist eine kleine Zusammenfassung dessen,
was der Film uns gesagt haben sollte. Ob in der Phantasie oder real
erlebt, sexuelle Ausschweifungen sollten eine Beziehung nicht kippen
können. Man sollte sich auf die Zukunft konzentrieren und sich
diesem Sumpf, dem man entkommen ist, nicht weiter widmen. Toll!
Auffallend
ist, daß jede Person, mit der Dr. Harford im Verlauf des Filmes
redet, geil auf ihn zu sein scheint. Sorry, aber ein anderer Ausdruck
erscheint mir hier nicht angebracht. Das erleichtert dem Regisseur
zwar die Plazierung von Versuchungen für seinen Helden, wirkt
aber doch mit zunehmender Filmdauer alberner. Solche Patzer sorgen
dafür, daß wirkliche Stimmung nicht aufkommen will. Man
kann sich nicht 100%ig auf die Geschehnisse einlassen, weil man
nie weiß, ob Kubrick das, was er uns zeigt, wörtlich,
als Metapher oder einfach als Scherz gemeint hat. Der anfängliche
Streit zwischen den Harfords etwa wirkte auf mich, wie ich schon
schrieb, eher albern. Doch sollte das so sein? Immerhin hatten die
beiden gerade einen Joint intus, da kann man vielleicht tatsächlich
nicht mehr so logisch argumentieren. Oder lag es an Cruise und Kidman,
die dieser Szene vielleicht einfach nicht gewachsen waren? Oder
hat Kubrick schlicht und ergreifend eine schlechte Szene gedreht?
Ich weiß es nicht und so geht es einem in diesem Film leider
öfter. Für einen Thriller zu psychologisch und ohne wirklich
spannende Handlung, für einen Erotikfilm zu verworren, für
eine psychologische Betrachtung oft, nicht immer (!), zu albern,
hängt dieser Film zwischen den genannten Polen im Niemandsland
und ist mal dieses, mal jenes und nichts davon richtig.
Ich war beständig
hin und her gerissen zwischen Bewunderung ob der tiefen psychologischen
Einblicke in zwei Seelen und der Verwunderung, mit welcher Banalität
diese Einblicke so manches Mal vorgebracht wurden. Die Kontroversität,
mit der dieses Werk besprochen wird, läßt sich jedenfalls
nach einem Kinobesuch sehr gut nachvollziehen. Kubrick hat es also
geschafft, einen Film zu machen, über den man redet und über
den man wirklich streiten kann. Ich würde nur nach wie vor
gerne wissen, ob es das ist, was er gewollt hat. Schade, daß
man ihn nicht mehr fragen kann.
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