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Schauspieler:
Tom Cruise
Nicole Kidman
Sydney Pollack

Regisseur:
Stanley Kubrick

Genre:
Erotik-Thriller

FSK-Freigabe:
ab 16 Jahren

Website:
www.eyeswideshut.com

 

Eyes Wide Shut
(Eyes Wide Shut, USA 1999, 155 Minuten)

Tja, nun habe ich den Salat. Den Film gesehen, mit dem festen Vorsatz, gleich eine Rezension zu diesem Film abzugeben, sitze ich nun am Computer und bin eigentlich ein bißchen ratlos. Wenn das so geplant war, dann: Herzlichen Glückwunsch, Mr. Kubrick!

Wir lernen zu Beginn des Filmes eine wohl durchschnittliche amerikanische Familie der Upper Class, die Harfords, kennen. Er Arzt, sie Galeristin, aber momentan zuallererst Mutter der achtjährigen Tochter, die nach einem Jahr Ehe zur Welt kam, wie es sich gehört. Alles ist perfekt, die Wohnung ist schnieke, die Tochter behütet, der Umgang der Eltern miteinander liebevoll-routiniert. Man macht sich bereit für einen großen Ball, die Tochter darf fernsehen, die Babysitterin scheint einen Traumjob ergattert zu haben. Kubrick schafft es , dieses Bild der heilen Familie innerhalb weniger Szenen zu schildern; für die anschließende Demontage braucht er zwei Stunden. Erste Sprünge bekommt der Spiegel der Normalität, als sich das Ehepaar auf dem Ball trennt. Er flirtet mit zwei Schönheiten, sie, nach dem einen oder anderen Glas Champagner zuviel, mit dem Klischee des feurigen Ungarn. Die dabei entstehenden Unterhaltungen sind so sehr von Banalität getränkt, daß man sich fragt, ob Kubrick es nicht besser konnte oder nicht anders wollte. Das Thema der Gespräche bleibt stets das gleiche: es geht um Sex, um Anmache, notdürftig kaschiert mit Überlegungen über die eheliche Treue. Ist es das, worum es dem Film geht? Die menschlichen Triebe und ihre Unvereinbarkeit mit gesellschaftlichen, vor allem kirchlichen, Vorstellungen aufzuzeigen? Die Ehe als Gefängnis?

Einen Abend später, nach einem langen Streit, der mich spontan an Loriots Ehepaar, das sich über alles und jedes in die Haare kriegt und logische Argumentationen längst aufgegeben hat, erinnerte und nach dem Genuß eines Joints (der nächste Riß in der spießigen Fassade) gesteht sie ihm sexuelle Phantasien einen Marineoffizier betreffend. Er nutzt einen dramatisch perfekt eintreffenden medizinischen Notfall, um sich zutiefst verwirrt in das Nachtleben von New York zu stürzen. Hier begegnet er allerhand Versuchungen in Form der Tochter eines gerade verstorbenen Patienten, einer Prostituierten, eines kleinen, frühreifen Mädchens und schließlich einer Orgie in einem geheimnisvollen Schloß voller maskierter Menschen, in dem er gar in Lebensgefahr gerät, weil er sich mit Mächten anlegt, die er nicht versteht (ebensowenig wie ich, Kafka läßt grüßen). Nach 145 min. bricht er dann am Bett seiner schlafenden Frau zusammen, erzählt ihr alles, man geht mit der Tochter Weihnachtseinkäufe erledigen, dabei spricht man sich aus und endet mit der Feststellung, daß man doch mal wieder "ficken" sollte. Film over. Wie zu Beginn bereits gewährt der Regisseur der Familienidylle nur wenige Minuten. Man hat den Eindruck, als sei er nicht ganz freiwillig zu diesem Happy-End gekommen. Vielleicht wird die Welt ja demnächst mit einem posthumen Directors-Cut beglückt...

In der Aussprache am Schluß enthalten ist eine kleine Zusammenfassung dessen, was der Film uns gesagt haben sollte. Ob in der Phantasie oder real erlebt, sexuelle Ausschweifungen sollten eine Beziehung nicht kippen können. Man sollte sich auf die Zukunft konzentrieren und sich diesem Sumpf, dem man entkommen ist, nicht weiter widmen. Toll!

Auffallend ist, daß jede Person, mit der Dr. Harford im Verlauf des Filmes redet, geil auf ihn zu sein scheint. Sorry, aber ein anderer Ausdruck erscheint mir hier nicht angebracht. Das erleichtert dem Regisseur zwar die Plazierung von Versuchungen für seinen Helden, wirkt aber doch mit zunehmender Filmdauer alberner. Solche Patzer sorgen dafür, daß wirkliche Stimmung nicht aufkommen will. Man kann sich nicht 100%ig auf die Geschehnisse einlassen, weil man nie weiß, ob Kubrick das, was er uns zeigt, wörtlich, als Metapher oder einfach als Scherz gemeint hat. Der anfängliche Streit zwischen den Harfords etwa wirkte auf mich, wie ich schon schrieb, eher albern. Doch sollte das so sein? Immerhin hatten die beiden gerade einen Joint intus, da kann man vielleicht tatsächlich nicht mehr so logisch argumentieren. Oder lag es an Cruise und Kidman, die dieser Szene vielleicht einfach nicht gewachsen waren? Oder hat Kubrick schlicht und ergreifend eine schlechte Szene gedreht? Ich weiß es nicht und so geht es einem in diesem Film leider öfter. Für einen Thriller zu psychologisch und ohne wirklich spannende Handlung, für einen Erotikfilm zu verworren, für eine psychologische Betrachtung oft, nicht immer (!), zu albern, hängt dieser Film zwischen den genannten Polen im Niemandsland und ist mal dieses, mal jenes und nichts davon richtig.

Ich war beständig hin und her gerissen zwischen Bewunderung ob der tiefen psychologischen Einblicke in zwei Seelen und der Verwunderung, mit welcher Banalität diese Einblicke so manches Mal vorgebracht wurden. Die Kontroversität, mit der dieses Werk besprochen wird, läßt sich jedenfalls nach einem Kinobesuch sehr gut nachvollziehen. Kubrick hat es also geschafft, einen Film zu machen, über den man redet und über den man wirklich streiten kann. Ich würde nur nach wie vor gerne wissen, ob es das ist, was er gewollt hat. Schade, daß man ihn nicht mehr fragen kann.

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